Geowissenschaftliche Fakultät

(s. auch SFB 230 und SFB 275)

Der Geowissenschaftlichen Fakultät gehören folgende wissenschaftlichen Einrichtungen an:

Geographisches Institut,

Institut und Museum für Geologie und Paläontologie,

Institut für Mineralogie, Petrologie und Geochemie,

Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie des Instituts für Ur- und Frühgeschichte.

Die Fächer Geologie Paläontologie und Mineralogie (einschließlich Petrologie und Geochemie) sind gekennzeichnet durch naturwissenschaftliche Lehr- und Forschungsinhalte mit starken Querverbindungen zu den anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen. Die Fächer Geographie und Urgeschichte befassen sich in Lehre und Forschung teils mit naturwissenschaftlichen, teils mit sozialwissenschaftlichen und kulturhistorischen Fragestellungen. Dementsprechend haben diese Fächer auch viele Berührungspunkte mit geisteswissenschaftlichen Disziplinen, vor allem aus dem sozial- und kulturwissenschaftlichen Bereich.

Aus den unterschiedlichen Fragestellungen und ebenso aus den verschiedenen Methoden, die in den Disziplinen der Geowissenschaftlichen Fakultät zur Anwendung kommen, ergibt sich auf den ersten Blick eine starke Heterogenität der Fakultät, die auch darin zum Ausdruck kommt, daß alle Fächer der Fakultät eigenständige Studiengänge mit berufsqualifizierendem Abschluß anbieten. Zugleich sind jedoch die geowissenschaftlichen Disziplinen in vielfältiger Weise aufeinander bezogen und ergänzen sich in der Lehre und in der Forschung. Kennzeichnend hierfür sind die starke Verflechtung der verschiedenen Studiengänge und die bei vielen Forschungsprojekten bestehende interdisziplinäre Kooperation.

Im Zentrum geowissenschaftlicher Forschung und Ausbildung steht die Arbeit im Gelände. Der überwiegende Teil der Diplomarbeiten und Dissertationen, zum Teil auch die Zulassungsarbeiten der Geographie, sind in den geowissenschaftlichen Fächern mit Geländearbeiten verbunden. Die neuere Entwicklung der Geowissenschaften wird daneben immer stärker bestimmt durch die Nutzbarmachung von Methoden und Ergebnissen aus Chemie, Physik, Biologie, Ingenieurwissenschaften und Mathematik. Dies gilt in unterschiedlicher Ausprägung vor allem für das Gebiet der Allgemeinen und Angewandten Geologie, der Paläontologie und Mikropaläontologie, der Physikalisch-Chemischen und der Angewandten Mineralogie, der Petrologie und der Geochemie, der Physischen Geographie sowie der Quartärökologie als naturwissenschaftlicher Zweig der Urgeschichte. Für die analytischen und experimentellen Arbeiten im Labor werden leistungsfähige Apparaturen und Großgeräte eingesetzt, die seit Beginn der 80er Jahre mit erheblichem finanziellen Aufwand beschafft wurden.

Im Jahre 1994 wurde in der Fakultät ein neuer Sonderforschungsbereich eingerichtet, der sich der Erforschung des Klimas in früheren Abschnitten der Erdgeschichte (Erdmittelalter und Erdneuzeit) widmet. Im Vordergrund stehen dabei Fragen der Prozeßkopplung zwischen Klimadynamik und geologischen sowie biologischen Entwicklungen.

Eine zunehmende Bedeutung kommt in allen geowissenschaftlichen Disziplinen der anwendungsorientierten und der Umweltforschung zu. Die Fakultät ist darum bemüht, die vorhandenen Ansätze zu bündeln und für bestimmte Fragen der geowissenschaftlichen Umweltforschung ein Zentrum einzurichten.

Die Grundausstattung konnte zwar anläßlich mehrerer im Berichtszeitraum erfolgter Berufungen verbessert werden, entspricht aber nach wie vor bei weitem nicht den Anforderungen, die sich aus den Aufgaben in der Lehre und aus den Erwartungen an die Forschung ergeben. Für die Erledigung der analytischen und meßtechnischen Arbeiten im Gelände und in den Labors fehlen vor allem Stellen für technisches Personal. Erhebliche Engpässe bestehen auch in räumlicher Hinsicht. Die Forschung leidet insbesondere darunter, daß die vorhandenen Altbauten nicht für den Betrieb von modernen, hochinstallierten Labors eingerichtet sind. Entsprechende Umbaumaßnahmen sind zwar geplant und zum Teil bereits eingeleitet; eine Konsolidierung der Arbeitsbedingungen ist jedoch erst nach der Jahrhundertwende zu erwarten, wenn das Geographische Institut in einem größeren Altbau untergebracht wird und damit die bisher vom Geographischen Institut belegten Flächen für die Nutzung durch das Institut für Geologie und Paläontologie freiwerden.

Die seit Mitte der 70er Jahre und in jüngster Zeit erneut stark gestiegene Zahl der Studierenden bringt eine große Lehrbelastung des wissenschaftlichen Personals mit sich. Derzeit (Wintersemester 1995/96) verzeichnet die Fakultät rund 1430 Studierende, davon etwa 1170 Hauptfachfälle. Hinzu kommen etwa 130 Doktorandinnen und Doktoranden.

Eine Besonderheit in den geowissenschaftlichen Instituten stellen die umfangreichen und unersetzlichen Sammlungen dar. Die im Institut für Geologie und Paläontologie vorhandene paläontologische Sammlung und die Mineralien-Sammlung des Instituts für Mineralogie, Petrologie und Geochemie sind der Öffentlichkeit zugänglich, die Sammlungsbestände der Abteilung für Ältere Urgeschichte wegen Personal- und Raummangel jedoch nur teilweise.

GEOGRAPHISCHES INSTITUT

Der erste Lehrstuhl für Geographie wurde 1897 eingerichtet; das Institut wurde 1899 gegründet. Im Vordergrund stand zunächst die Südwestdeutsche Landeskunde. Seit den 50er Jahren wurde das Institut mit insgesamt 8 weiteren Professuren ausgebaut. Heute sind im Geographischen Institut alle wichtigen Bereiche der Physischen Geographie und der Anthropogeographie in Lehre und Forschung vertreten. Die Schwerpunkte der Forschung liegen auf folgenden Gebieten:

in Physischer Geographie: Geomorphologie und Naturhaushalt von Karstökosystemen (vor allem in Süddeutschland), Geoökologie, Altlasten im Ökosystem (anorganische und organische Schadstoffe, vor allem in Südwestdeutschland), Gesteinsverwitterung (Frankreich, Deutschland, England), jungquartäre Reliefformen (Südwestdeutschland) und Quartärmorphologie (Westalpen, Oman),

in Anthropogeographie und Regionaler Geographie: Entwicklungsländerforschung (wirtschafts- und sozialräumlicher Strukturwandel, Regionalentwicklung und Regionalplanung, Tropenökologie, vor allem in Lateinamerika), Regionale Geographie und Landeskunde Südwestdeutschlands, Ostmittel- und Osteuropas, Stadtgeographie und Angewandte Geographie (Methoden der Umweltverträglichkeitsprüfung).

Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit vielen nationalen und internationalen Institutionen zur Durchführung der Feldforschung, die nahezu ausschließlich aus Drittmitteln finanziert wird.

Das Geographische Institut besitzt neben umfangreichen Beständen landeskundlicher Literatur über Südwestdeutschland und zu Entwicklungsproblemen eine große Sammlung topographischer Karten des In- und Auslandes, die auch von Außenstehenden benutzt werden können.

INSTITUT UND MUSEUM FÜR GEOLOGIE UND PALÄONTOLOGIE

Das günstige regionale Umfeld führte schon früh zur Einrichtung eines geologisch-mineralogischen Lehrstuhls (F. A. Quenstedt, berufen 1837) und der zugehörigen paläontologischen Sammlung. Das wenig später gegründete Institut gehört damit zu den ältesten und inzwischen auch größten geologisch-paläontologischen Instituten in Deutschland.

Das Tübinger Institut versteht sich als Einheit, in der alle wichtigen Bereiche der Geologie und Paläontologie vertreten und integriert sind. Die Forschungsarbeiten des Instituts, die in vielen Regionen der Erde durchgeführt und fast ausschließlich aus Drittmitteln (überwiegend DFG) finanziert werden, werden von 12 Professuren getragen. Die Schwerpunkte der Forschung liegen auf folgenden Gebieten:

in Allgemeiner Geologie: Struktur- und Kristallingeologie, Geodynamik und Plattentektonik (Ostalpen, Karpaten, Mittelamerika, Himalaya/Tibet, Türkei, Schwarzwald), Paläogeographie des Mesozoikums, Sedimentgeologie/Beckenanalyse (vor allem Süddeutschland; Modellierung),

in Geophysik: Paläomagnetik und Magnetostratigraphie (vor allem Himalaya/Tibet),

in Paläontologie: Biostratigraphie (vor allem Mittelmeergebiet, Paläozoikum und Mesozoikum), Paläobotanik (Tertiär), Paläoökologie und Paläoklimaforschung (Alpen und Alpenvorland im Tertiär, China im Mesozoikum), Morphologie und Biomechanik von Tieren und Pflanzen, Phylogenie (vor allem Mesozoikum), Paläontologie der Wirbeltiere und der der Wirbellosen,

in Mikropaläontologie: Palynologie, Biostratigraphie und Kohlenpetrographie (Südwestdeutschland, Ägypten), Phylogenie (vor allem Foraminiferen), Paläoozeanographie und Klimageschichte) (vor allem N-Atlantik und Mittelmeerraum),

in Angewandter Geologie: Hydro- und Umweltgeologie, Grundwasserleiter, Schadstoffe im Untergrund und Grundwasser (vor allem Südwestdeutschland), Sanierungsverfahren für schadstoffbelastete Areale, Landschaftsgeschichte und -ökologie.

Das geologisch-paläontologische Museum beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen dieser Art in der Bundesrepublik. Schwerpunkte sind dabei neben der Originalien-Kollektion mit den Jura-Ammoniten Quenstedts die Fossilien des südwestdeutschen Raums und die aus vielen Ländern stammenden Reptilien- und Saurierskelette. Die Sammlung enthält mehr als 1000 Originalstücke, ein reiches Magazinmaterial und vor allem zahlreiche, auch der Öffentlichkeit zugängliche Schaustücke. Sie spielt daher eine wesentliche Rolle im akademischen Unterricht wie auch in der Schul- und Erwachsenenbildung.

INSTITUT FÜR MINERALOGIE, PETROLOGIE UND GEOCHEMIE

Die Geschichte des Instituts ist eng mit der des Instituts für Geologie und Paläontologie verknüpft. Als selbständige Disziplin existiert die Mineralogie in Tübingen seit 1914. Im Berichtszeitraum gehörten zum Institut 5 Professuren.

Die Bearbeitung der vielfältigen Fragestellungen im Gelände und im Labor erfordert in immer stärkerem Maße den Einsatz moderner chemischer und physikalischer Methoden. Dementsprechend ist das Institut apparativ hochwertig ausgestattet. Außerdem partizipiert es an Großgeräten anderer Institute der Universität Tübingen. Die Forschung wird hauptsächlich aus Drittmitteln (vor allem DFG) finanziert. Die derzeitigen Forschungsschwerpunkte liegen auf folgenden Gebieten:

in Petrologie: Mineral- und Gesteinsbildung (Druck- und Temperaturbedingungen), Mineralreaktionen der Gesteinsmetamorphose (experimentelle Untersuchungen und Modellierung), Petrologie von vulkanischen Gesteinen und Tonmineralen.

in Geochemie: Chemische Entwicklung des Erdmantels und der Erdkruste, Umweltgeochemie (Hydrosphäre, Schadstoffe in Böden und Wässern, Deponietechniken),

in Physikalisch-Chemischer Mineralogie: Strukturelle Phasenübergänge, Struktur von Hochtemperatur-Supraleitern,

in Angewandter Mineralogie: Keramische Werkstoffe und Hochleistungskeramiken (Oxidations- und Korrosionsmechanismen), Keramiken in Verbrennungsmotoren (keramische Ventile, Dieselrußgasfilter).

Innerhalb der Geowissenschaftlichen Fakultät erbringt das dem Arbeitsbereich Geochemie angeschlossene Geochemische Zentrallabor Dienstleistungen im analytisch-chemischen Bereich. Nutznießer sind vor allem das Mineralogische Institut und das Institut für Geologie und Paläontologie.

Das Institut verfügt über eine Mineralien- und Gesteinssammlung, die im Rahmen von Führungen auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. Außerdem ist dem Institut eine Meteoritensammlung anvertraut, die zu den größten in Europa zählt und von Wissenschaftlern in aller Welt in Anspruch genommen wird.

ABTEILUNG ÄLTERE URGESCHICHTE UND QUARTÄRÖKOLOGIE DES INSTITUTS FÜR UR- UND FRÜHGESCHICHTE

Die Abteilung beschäftigt sich mit der Erforschung der ältesten Geschichte des Menschen und seinen Beziehungen zur Natur. Die Arbeitsvorhaben der Urgeschichte sind daher im Grenzbereich zwischen Geologie Paläontologie und Archäologie angesiedelt und durch entsprechende Bergungs-, Sicherungs-, Dokumentations- und Auswertungstechniken gekennzeichnet. In Tübingen hat sich das Fach als eigenständige Forschungseinrichtung schon zu Beginn des Jahrhunderts aus der Paläontologie entwickelt. Neben der Älteren Urgeschichte (Urgeschichte des Paläolithikums, des Mesolithikums und des frühen Neolithikums) mit dem Arbeitsschwerpunkt Quartärökologie (Umweltbedingungen des frühen Menschen) sind in das Institut die Arbeitsbereiche Archäozoologie, Archäobotanik und Archäometrie integriert. Die Forschung wird fast vollständig durch Drittmittel finanziert, die vor allem von der DFG und vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, aber auch aus anderen Quellen stammen. Die derzeitigen Forschungsschwerpunkte liegen auf folgenden Gebieten:

Paläolithikum im Rheinland und in Rheinhessen (Technologie und Umwelt des Neandertalers), Höhlenfundstellen im Achtal und in der Türkei, neolithische Feuchtbodenarchäologie, Archäotechnik, Besiedlungsgeschichte SO-Arabiens, Archäozoologie (Domestikationsgeschichte von Reit- und Lasttieren), Archäobotanik, Archäochemie.

Die Abteilung verfügt über wertvolle Sammlungen (Höhlenfunde, archäozoologische und archäobotanische Vergleichssammlungen). Außerdem betreibt sie ein urgeschichtliches Museum in Blaubeuren.

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qvf-info@uni-tuebingen.de(qvf-info@uni-tuebingen.de) - Stand: 30.11.96
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